Pride in Wien
«Wie man mit Minderheiten umgeht, sagt viel über eine Gesellschaft aus.»
Ein Essay zur Bedeutung der Pride und dem Umgang mit Minderheiten
Von Joëlle Thoma
Juni ist Pride-Monat! Ich besuchte heuer gleich zwei Regenbogenparaden: Jene in Wien und eine Woche später jene in Zürich. An der Wiener Pride nahmen mehrere hunderttausend Menschen teil und erfüllten die Strassen mit Flaggen, Plakaten, Musik und heiterem Jubel. Dieses Jahr ist es mir nun das erste Mal gelungen, einen Platz weit vorne an der Kundgebung am Rathausplatz zu ergattern, an dem ich die Redner*innen hören konnte. Ein Satz von Katharina Kacerovsky-Strobl, Organisatorin der Vienna Pride, blieb mir davon besonders im Gedächtnis: «Wie man mit Minderheiten umgeht, sagt viel über eine Gesellschaft aus».
Diese Aussage gab mir zu denken über die Bedeutung dieses Grossanlasses, der nicht nur ausserhalb der LGBTIQ-Community auf gespaltene Meinungen stösst. Was hat diese riesige Anzahl an Demonstrierenden dazu bewegt, an der Pride mitzulaufen? Braucht es überhaupt noch eine Pride, wo wir doch schon die Ehe für Alle deutlich angenommen haben? Weshalb war eigentlich ich da? Meine persönliche Konklusion ist simpel: Es tut gut, einmal im Jahr ohne Kontrollblicke die Hand meiner Freundin halten zu können und mit meinen eigenen Augen zu sehen, wie viele Menschen hinter uns stehen. Leider erfahren queere Menschen immer noch regelmässig Gewalt aufgrund ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung. Und auch wenn man vom Umfeld nicht gerade diskriminiert wird, muss man sich trotzdem täglich erklären. Anlässe wie die Pride sind nicht nur Demonstrationen oder Parties, sondern vor allem bestärkend und bestätigend für Betroffene, aber auch diskursfördernd.
Der Diskurs über den richtigen Umgang mit Minderheiten wird immer relevanter, je mehr sich unterschiedliche Menschen begegnen und am selben Ort leben. Dies beinhaltet nicht nur Minderheiten der LGBTIQ-Community, sondern auch ethnische, religiöse oder sprachliche Minoritäten. Wie man in verschiedenen Gesellschaften Minderheiten behandelt, variiert stark. Was macht jedoch einen richtigen Umgang mit Minoritäten aus? Mir fallen hierzu vor allem folgende zwei Schlagwörter ein: Toleranz und Kontakt. Erstens muss man in vielfältigen Gesellschaften das richtige Mass an Toleranz finden, indem man sowohl die Pluralität einer Gesellschaft anerkennt, ohne dabei Grenzen zu überschreiten. Zweitens lautetet das beste Mittel gegen Vorurteile Kontakt. Durch Gespräche mit Betroffenen erhält man Einsicht in die Perspektive des Gegenübers, wodurch sich mögliche Vorahnungen bekämpfen lassen.
Dies führt mich zurück zur Bedeutung der Pride. Ein solcher Anlass ist nicht nur bestärkend für queere Menschen. Er bietet auch den nötigen Raum für Kontakt zwischen Menschen ausserhalb und innerhalb der Community. Ebenso tragen Kulturfeste dazu bei, in Kontakt mit anderen Menschen zu kommen und die Diversität der Bevölkerung in einem Land aufzuzeigen und zu zelebrieren. Minderheiten die Möglichkeit zu bieten, sich vorzustellen, so wie sie es möchten und ihnen mit Offenheit und Akzeptanz zu begegnen, ist sicherlich ein guter Anfang für einen korrekten Umgang mit Minoritäten.